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Gibt es faire Smartphones?

Das Problem mit dem Coltan

Coltanerz und sein Bestandteil Tantal, das in Micro-Kondensatoren Verwendung findet, wird vorwiegend in der Demokratischen Republik Kongo sowie ihren Nachbarstaaten gefördert. Der Abbau findet dabei auch heute noch nicht selten in kleinen und illegal angelegten Minen statt, in denen Menschen ausgebeutet werden. Die beträchtlichen Einnahmen durch der Förderung von Coltanerz sind in der Vergangenheit auch bei lokalen Milizen gelandet und haben zur Fortsetzung des wieder andauernden Dritten Kongokriegs beigetragen. Tantal aus Coltan spielt nach wie vor eine Rolle bei der Finanzierung des Bürgerkriegs.

In ihren Transparenz- und Umweltberichten nehmen mittlerweile auch die großen Technologiekonzerne Stellung zu Tantal aus der DR Kongo. Samsung als größter Smartphone-Hersteller der Welt gibt dabei zu (.pdf-Link), dass man weiter auf Zulieferer setzt, die ihre Rohstoffe aus der DR Kongo beziehen. Jährliche Überprüfungen sollen laut Samsung sicherstellen, das Mindeststandards eingehalten und Kinderarbeit nicht stattfindet. Angaben von Amnesty International zufolge arbeiteten im Jahr 2016 im Süden der DR Kongo rund 40.000 Kinder in Coltanminen.

Coltanabbau nach Ländern im Jahr 2020. Datenquelle: M. Garside.

Coltan, Tantal und „faire“ Smartphones

Wenn es um Tantal geht, dann haben Shift und Fairphone als Hersteller nachhaltiger und modularer Smartphones unterschiedliche Ansichten. 

Dem Wirkungsbericht von Shift aus dem Jahr 2019 zufolge lässt man kein Tantal bei eigenen Handys zum Einsatz kommen. Stattdessen wird auf keramische Kondensatoren gesetzt. Bei einer vom Hersteller selbst veranlassten Neutronenanalyse beim Geowissenschaftlichen Zentrum in Göttingen wurden dennoch mikroskopisch kleine Spuren von Tantal auf der Hauptplatine der Shiftphones gefunden. Auf alle bis zum Jahr 2019 produzierten Handys hochgerechnet ergibt sich „eine Gesamtmenge von weniger als einem Gramm“. 

Hinzu kommt nach eigenen Angaben ein Anteil von 3 Milligramm Gold pro Shiftphone. Hier äußert man sich im Wirkungsbericht nicht zur Herkunft. Bis zum Jahr 2019 sollen in allen Handys des Herstellers etwa 100 Gramm Gold zum Einsatz gekommen sein. Zum Konfliktrohstoff Wolfram werden keine Informationen bereitgestellt.

In Fairphones ist Tantal zu finden. Zwei der Zulieferer beziehen dem eigenen Lieferkettenbericht aus dem Jahr 2020 zufolge ihre Rohstoffe direkt aus der DR Kongo. Drei weitere lassen Coltanerz aus Nachbarländern importieren. Hinzu kommen sechs Unternehmen, welche die DR Kongo als „indirekte Quelle“ für Tantal angeben. Sechs weitere möchten ihr „indirektes“ Tantal aus Nachbarländern beziehen. Hiermit dürfte vor allem Rwanda gemeint sein, wobei das Land nicht explizit erwähnt wird. 

Fairphone gibt an, dass mittlerweile 60 Prozent der „Fokus-Rohstoffe“ auf fairen Quellen stammen. Im Lieferkettenbericht heißt es: „Wir bei Fairphone [und] die gesamte Elektronikindustrie sind noch weit von den Zielen eines 100 % fairen und nachhaltigen Produkts entfernt, das sich nahtlos in ein Kreislaufwirtschaftsmodell einfügt, in dem nichts verschwendet wird. Aber wir kommen diesem Ziel jedes Jahr näher.“

Shiftphones und Fairphones sind fairer, aber nicht fair

Zum Glück bestehen Smartphones nicht nur aus Tantal, Gold und Wolfram. Trotz der durchaus sehenswerten Erfolge von Shift und Fairphone handelt es sich um vergleichsweise kleine Unternehmen, auch wenn sie den Rahmen ihrer Möglichkeiten jedes Jahr erneut ausreizen. Für einen echten Wandel in der Rohstoffindustrie braucht es mehr als zwei idealistische Smartphone-Hersteller aus Deutschland und den Niederlanden.

Auch in absehbarer Zukunft dürften weder Shift noch Fairphone eigene Minen betreiben oder selbst Prozessoren und Kameras entwerfen. Wie jeder andere Elektronikhersteller ist man auf den globalisierten Markt angewiesen, solange nicht sämtliche Bauteile vor Ort produziert und alle Rohstoffe lokal gefördert werden. 

Dennoch lassen sich erste Erfolge vermelden. Wenn schon die benötigten Bauteile nicht selbst produziert werden können – und etablierte Produzenten keinen Richtungswechsel vornehmen – dann bleiben immerhin andere Handlungsspielräume übrig. Hier ist der direkte Einfluss deutlich größer. Das betrifft unter anderem Arbeitsbedingungen und Entlohnung der Mitarbeiter, die an der Zusammensetzung der Handys beteiligt sind – und das unabhängig davon, ob diese in Deutschland, den Niederlanden oder China für die Hersteller arbeiten.

Das modular aufgebaute Fairphone 3.

Produktion in China: Fair im Rahmen des derzeit Möglichen

Die Zentralen von Shift und Fairphone befinden sich in Europa. Beide Unternehmen haben sich dazu entschlossen, die Fertigung und Zusammensetzung der Handys in China durchführen zu lassen. Shift teilt dazu mit, dass eine Bearbeitung in Deutschland letztlich umweltschädlicher sei. Die empfindlichen Bauteile werden in China hergestellt und müssten zunächst „aufwendig verpackt und klimakontrolliert per Luftfracht“ nach Deutschland transportiert werden. Shift zufolge ergibt es mehr Sinn, eigene Ideen von fairer Produktion nach China zu bringen.

Seit dem Jahr 2018 betreibt man in der chinesischen Stadt Hangzhou eine eigene „Manufaktur“. Die dort beschäftigten Mitarbeiter genießen Shift zufolge die gleichen Annehmlichkeiten wie ihre in Deutschland arbeitenden Kollegen. Dazu gehören eine Kranken- und Rentenversicherung sowie eine flexible 40-Stunden-Woche mit Urlaub bei deutlich überdurchschnittlicher Entlohnung. 

Auf das sonst in chinesischen Fertigungshallen übliche Neonlicht wird bewusst verzichtet. Man sitzt zusammen an einem großen Holztisch und muss weder Kittel noch Mundschutz tragen (falls nicht gerade eine Pandemie herrscht). Das hat auch mit der besonderen Bauweise der Shiftphones zu tun, bei denen weder geklebt noch gelötet werden muss. Modular aufgebaute Handys machen sich also auch bei der Zusammensetzung positiv bemerkbar. 

Quellen:

Nachhaltige Smartphones

Fairer produziert: Modulare und nachhaltige Handys im Vergleich.

Handys mit Wechselakku

Nicht ganz so modular, aber besser als nichts: Smartphones mit Wechselakku.

Smartphones aus Deutschland

Aktuelle und besondere Handys deutscher Hersteller in der Übersicht.